Wie so oft hat uns unser Gespür an den richtigen Platz geführt. Wir sind auf der kroatischen Halbinsel Pelješac nähe Orebić, am Campingplatz Palme gelandet. Ausblick direkt auf das Meer und die gegenüberliegende Insel Korčula, ein langer Kiesstrand, türkisblaues Wasser, wenig los. Ein kleiner alter Mann versucht seinem Enkel das Surfbord spielerisch näher zu bringen. Alles hier wirkt ein wenig wie die Ruhe vor dem Sturm. Und so ist es auch.
Am Nachmittag setzt der Wind ein – Mistral. Die ganze Bucht verwandelt sich in einen riesigen Bienenstock. Aus allen Richtungen schwärmen sie herbei. Junge, Alte, Frauen, Männer, alle haben nur ein Ziel: Surfen. Wir sind im Mekka des Surfsports gelandet, ein Spektakel besser als jedes TV-Programm. Fasziniert beobachten wir dieses Treiben zwei Tage lang, dann beginnen wir selbst einen Surfkurs.
Ein gerade angekommenes Ehepaar sitzt morgens vor unserem Standplatz am Strand. “Was für eine traumhafte schöne Bucht, das Wasser so sauber, so ruhig, und das in der Hauptsaison, herrlich ist es hier!” In der TV-Doku “Die Auswanderer” würde es jetzt heißen: “Da wussten sie noch nicht, was heute noch auf sie zukommen wird”, denn pünktlich wie jeden Tag ist er plötzlich da der Wind und das Treiben beginnt von Neuem.
Mir sticht ein Mann ins Auge, der mich im Gang und Outfit ein wenig an E.T. erinnert. Neopren, Helm, Sportbrille, kleines Surfbrett mit großem Segel. Ich erkenne ihn sofort. Es ist der alte kleine Mann, der mit seinem Enkel am Strand gespielt hat. “That´s Jurij, he´s a legend” klärt mich unsere slowenische Campingnachbarin auf. Ich kann kaum glauben, dass dieser Mann noch surft. Wasserstart und ab durch die Mitte, schnell, sehr schnell. Er holt sich ein größeres Segel “for more speed”, wie er im Vorbeigehen lachend meint, steckt um und weiter geht´s. Es sieht aus als hätte er sein ganzes Leben nichts anderes gemacht. Völlig von der Rolle mache ich ein paar Fotos von ihm.
So schnell wie der Wind kam ist er drei Stunden später auch wieder weg. Zufriedene und glückliche Gesichter überall. Leicht ausgepowert verlässt auch Jurij den Strand. Ich erzähle ihm, dass ich ein paar coole Bilder von ihm habe und frage nach seiner E-Mail-Adresse. Er bringt mir einen UBS-Stick und meint, es sei nicht so dringend: “Ich bin noch sieben Wochen hier”.
Im Laufe der Tage freunden wir uns an. Er erzählt ein bisschen aus seinem Leben. Letztes Jahr habe er einen Fotokurs an der Universität besucht. In seiner Jugend habe er den Vor- und Abspann von Filmrollen zum Fotografieren verwendet und selbst ausgearbeitet – etwas anderes habe es damals nicht gegeben. Später habe er die Filmrollen in Österreich entwickeln lassen, das sei eine ziemliche Erleichterung gewesen. Gearbeitet habe er bei einer großen Firma als Forstingineur. Er habe sich öfter mal “Arbeitszeit für das Surfen gestohlen”. Seit 30 Jahren komme er jeden Sommer zum Surfen mit seiner Frau hierher, außer in der Zeit des Krieges. Seine Frau surft nicht. “Wir sind sehr verschieden, aber glücklich”, meint er. Sie sitzt jeden Tag am Strand und schaut ihm zu. Eigentlich dürfe er im Moment gar nicht surfen, weil er Antibiotika nehmen müsse, “aber der Wind, da kann ich nicht anders”. Nach unseren ersten Surfversuchen meint der sympathische Slowene mit leuchtenden Augen: “Am Anfang musst du sehr viel investieren, aber irgendwann kommt der Punkt, da ist es wie Koffein.”
DU MUSST DAS MACHEN, WAS DU LIEBST,
FRÜH DAMIT BEGINNEN, DAS HÄLT DICH JUNG
UND MACHT DICH GLÜCKLICH.
SELBST WENN ICH KEINE BEINE HÄTTE,
WÜRDE ICH SPASS AM LEBEN HABEN
UND ES GENIESSEN.Jurij ist 78 Jahre alt.
Chris