Wer Korsika liebt, muss unbedingt nach Sardinien. Dort ist es nämlich noch einen Tick schöner – erzählt uns zumindest jeder zweite Campingnachbar auf Korsika. Auf Sardinien bekommen wir umgekehrt von vielen Menschen zu hören, dass Korsika die schönere Insel sei.
Wir lieben beide Inseln. Gemeinsam haben sie grandiose (Berg-)Landschaften und tolle Küsten. Das allgemeine Lebensgefühl und die Stimmung haben wir jedoch sehr unterschiedlich wahrgenommen. Die Dörfer sind auf Korsika lieblicher, verspielter, verträumter und die allgemeine Stimmung wirkt südländisch locker. In den sardischen (Berg)Dörfern machen sich dagegen das rauere Klima und die Wirtschaftskrise bemerkbar. Die italienische Regelwut schwappt auch auf die Insel über – noch nie haben wir so viele Verbotsschilder auf einem Haufen gesehen. In der Vorsaison wird zum Glück nicht allzu sehr darauf geachtet, die Menschen sind uns auch hier sehr offen und freundlich begegnet. Und auf Sardinien haben wir die schönsten Sonnenuntergänge genossen.
Unsere Highlights im Nordwesten Sardiniens
Von Olbia aus umrunden wir die Insel gegen den Uhrzeigersinn. Obwohl wir schon vor der Fährüberfahrt, nach knapp 1000 Kilometern Anfahrt, zwei Tage in Vada Meerluft und Pinienduft geschnuppert haben, sind wir noch im Alltagsmodus – etwas gehetzt und ungeduldig auf der Suche nach unserem Traumplätzchen. Erst nach einer Woche kommen wir in die entschleunigte Urlaubsstimmung – was mir auch beim Lesen des Roadbooks auffällt.
1. Capo Testa
Der Norden ist die touristischste Region Sardiniens. Das Wahrzeichen der Insel ist das Capo D´Orso. Der Bärenstein – für uns sieht er eher wie ein Elefant aus – und der Ausblick auf die Bucht sind zwar schön, aber bevor man dorthin gelangt, bekommt man nach Bezahlung der Parkplatz- und Ticketgebühren eine Einschulung in die umfassenden Dont´s. Nach einem kurzen Spaziergang in der Touristenkarawane teilt man sich das beliebte Fotomotiv mit hundert anderen Schaulustigen, sogar um 8 Uhr Früh.
Nur wenige Kilometer weiter kommt das Capo Testa – eines der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten der Insel. Dort darf man frei auf den märchenhaften Granitfelsen herumhüpfen. Am Horizont ist die südliche Spitze von Korsika sichtbar. Chris bereut, dass er seine Kamera im Auto gelassen hat – aber so hat er mal die Gelegenheit ganz in die Kulisse einzutauchen, statt nur durch das Fotoauge zu schauen.
Kleiner Tipp: Die einzigartige Welt aus Steinen wurde zum Naturpark erklärt und liegt in der beliebtesten Ferienregion Sardiniens – Menschen, die schöne Plätze gerne alleine genießen, sollten also früh aufstehen. Parkplätze gibt es nur wenige, die Straße dorthin wird zum Nadelöhr, es empfiehlt sich gleich etwas weiter weg zu parken. Unbedingt Sonnenschutz und Wasser mitnehmen, es gibt keinen Schatten!
2. Porto Palma
Die üppige Landschaft wird karger und die Dörfer verlassener. Porto Palma gilt als kleines Badeörtchen mit einer türkisblauen Bucht. Dahinter liegt Argentiera mit „architektonischen“ Resten des stillgelegten Silberbergwerks. Die Stadt befindet sich offensichtlich im Wiederaufbau und wirkt von innen (noch) nicht sonderlich charmant.
Unser unverhofftes Highlight ist die kleine Abzweigung vor der Beachbar, die sich vor dem Ortseingang befindet – und die uns auf eine sagenhafte Küstenlinie führt. So haben wir uns Sardinien vorgestellt! Während wir hier unser Mittagessen genießen, beschnuppert Oxi die herrliche Weite. Die gelbe Schafgabe versprüht ihren angenehmen Curry-Duft, den riechen sogar unsere menschlichen Nasen. Ob sich unsere Fellnase an Korsika erinnert?
3. Torre del Porticciolo
Langsam wissen wir unseren Reiseführer richtig zu lesen. In der Nähe von Alghero finden wir ein idyllisches Plätzchen am Camping Torre del Porticciolo. Der Platz ist liebevoll angelegt und gut ausgestattet, aber das eigentliche Highlight ist die traumhafte Kulisse entlang der Küste. Jeden Abend beobachten wir hier die rote Sonnenkugel, wie sie im Meer versinkt. Oder auch die mächtigen Gewitterwolken, die sich über dem Meer zusammenbrauen und unseren Bus erzittern lassen.
In der nahegelegenen Stadt Alghero ist die Altstadt nett, erinnert uns mit dem Hafen und der Promenade ein bisschen an Rovinj ohne Hügel. Die berühmte Grotte di Nettuno können wir diesmal leider nicht besichtigen, weil es schon in der Früh viel zu heiß ist, als dass wir Oxi im Bus lassen könnten. Vielleicht sollte man sich ohnehin ein paar Highlights für den nächsten Besuch aufheben – und später im Osten der Insel finden wir die höchste Tropfsteinhöhle Europas.
4. BOSA
… wohl eines der beliebtesten Fotomotive Sardiniens. Den perfekten (Foto-)Blick auf die bunte Stadt hat man weiter Richtung Süden den Hügel hinauf – dort gibt es auch entsprechende Parkohren. Aber es lohnt sich auch ein Spaziergang durch die engen, teils steilen Gassen – die pastellfarbenen Häuser sind mit vielen liebevollen Details geschmückt. Wir träumen gerne von einem Zweitwohnsitz und suchen uns schonmal das passende Häuschen in pastellgrün aus.
Auf der Promenade beobachten wir zwei Jugendliche und ihre „Big Family“ beim Fischen. Wie ist es wohl hier aufzuwachsen, quasi am Ende der Welt, wo die Zeit vermeintlich stehen geblieben ist? Wirklich so frei und locker wie in unserer nostalgisch-idyllischen Vorstellung, oder doch langweilig und (wirtschaftlich) schwierig?
5. Der Westen rund um Oristano
Der Westen kommt uns buchstäblich immer spanischer vor, from dusk til dawn warten wir nur noch auf die Vampire. Im 16./17. Jahrhundert gehörte Sardinien zu Spanien. An der kleinen Tankstelle in Oristano reisen wir aber nur ein paar Jahrzehnte zurück in die 1970er. Während der charismatische Tankwart ganz in Dienstleistungsmanier unseren Bus abfüllt, fragen wir uns, wann bei uns die Tankstellen zur anonymen Selbstbedienung wurden.
In Is Arutas fühlen wir uns nicht weniger angreifbar für die Vampire. Vereinzelt sehen wir Kitesurfer über die Wellen rauschen, ein paar Sonnenanbeter*innen finden sich am Strand, ansonsten ist der Ort wie ausgestorben. Is Arutas ist bekannt als „Strand der Reiskörner“ – der feine Sand besteht aus vielen, kleinen Quarzkörnern. Mitnehmen ist strengstens verboten, aber durch die Finger rieseln lassen entspannt so richtig. Die seltsame Gegend ist jedenfalls unbedingt einen Besuch wert!
Und die Gegend um Oristano hat noch was – Flamingos! Wie immer nicht vorbereitet auf unser Zielland, hatten wir davon keine Ahnung 😉 Umso mehr freuen wir uns, als wir ein Rudel, einen Schwarm eine Kolonie wilder Flamingos entdecken. Während wir uns durch das meterhohe, stachelige Gras an sie heranpirschen, wissen wir noch nicht, dass wir auf den nächsten 300 Kilometern noch hunderte Flamingos sehen werden. Sie nutzen die Salzseen rund um Cagliari als Brutgebiete.
Wer die verlassene, melancholische und historische Gegend noch etwas länger genießen will, dem empfehlen wir den Campingplatz S´Ena Arrubia. „Stay where you want“ unter schattigen Pinienbäumen – neben einer Flamingo-Lagune 🙂 „Have fun“ auf einem langen Strand hinter kleinen Sanddünen, an dem einmal kein Hundeverbotsschild steht. Hier gehören Hunde zum Paket. Ein kecker Streuner, den wir Pauli nennen, begrüsst mit seiner schüchternen Freundin Stella die neuen Gäste und fordert jeden Abend sein „Schutzgeld“ in Form von Gegrilltem ein.
Zeugnisse der Vergänglichkeit sind kostenlos inkludiert. Die romantisch-verwilderte Ausstattung des Campingplatzes lässt blühende Zeiten erahnen. Ein verwachsener Basketballplatz, eine verlassene Beachbar, zurückgelassene Wohnwägen. Am einsamen Sandstrand erzählen Betonbunker ein Stück tragische Weltgeschichte. Die vorbeijagenden Kampfjets (NATO-Flieger des nahegelegenen Übungsstützpunktes) bieten dazu die perfekte Geräuschkulisse. Keine Sorge, der Lärm hält sich in Grenzen. Klingt komisch, aber wir melancholisch-angehauchten Wesen schöpfen an so vergessenen Orten viel Kraft und Muße – die farbintensiven Sonnenuntergänge sind noch das Sahnehäubchen…
6. Mistkäfer an der costa verde
Die Sanddünen und die hohen Wellen an der Costa Verde (Piscinas) sind schön zum Ansehen, aber irgendwie finden wir sie beide „entbehrlich“, vielleicht wegen dem starken Wind, der sonnen und schwimmen unmöglich macht.
Spannender ist der Weg dorthin – durch die vergangene Ära einer blühenden Wirtschaft. Nachdem die Bergwerke stillgelegt wurden und die Menschen wieder abgewandert sind, bleiben nur noch halb verfallene Geisterdörfer übrig. Wie muss es wohl sein als Letzte*r ein Dorf zu verlassen?
In Arbu findet Chris den berühmten Messerschmied, von dem er in Alghero gehört hat. Senior Pusceddu fertigt hier die Hirtenmesser mit Griffen aus Rosenholz selbst an – und hat daneben eine Sammlung richtig alter Schmuckstücke. Während sich Chris an seinen neu erstandenen Messern erfreut, erlebe ich mein Highlight doch in den Sanddünen: ein Mistkäfer-Pärchen, das in aller Ruhe seinen riesigen Mistball über die sandige Fahrbahn rollt. Sieht frau ja nicht alle Tage 🙂
Noch ein Hinweis:
Wir haben Sardinien in der Vorsaison im Juni bereist – wo noch dazu laut Campingplatzbetreiber*innen die italienische Wirtschaftskrise spürbar war und erst die Hälfte der normalerweise erwarteten Urlauber*innen auf der Insel waren. In der Hauptsaison könnten die einsamen, verlassenen Plätzchen ganz und gar nicht mehr einsam sein.
Claudia
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Teil 2: Sonne, Strand und mehr – unsere Highlights im Südosten Sardiniens. Coming soon!
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