Spätestens jetzt kenne ich jede einzelne Schraube unseres alten Bullis. Zwei Tage vor der Abfahrt nach Korsika habe ich sicherheitshalber noch ein paar Ersatzteile getauscht. Eines davon sollte uns jedoch viele Probleme bereiten.

LIEBE AUF DEN ZWEITEN BLICK

Unser erster Roadtrip zu dritt. Seit zwei Monaten lebt Hündin Oxi bei uns. Für sie ist es die erste Reise ans Meer und wir hoffen, dass sie das Fahren und Campen genauso liebt wie wir. Die rauschenden Wellen sind ihr noch unheimlich, aber die Sandstrände gehören ganz ihr. Berauscht von der salzigen Luft flitzt sie hin und her, danach wuzelt sie sich genüsslich im Sand. Wir Menschen brauchen dagegen etwas länger zum Ankommen.

Bastia

Der korsische Charme erschließt sich uns erst auf den zweiten Blick. In der Nähe von Bastia geht es trotz Nachsaison noch touristisch zu. Von Karibik-Buchten ist nichts in Sicht. In den angeblich einsamen Bergen treffen wir auf Touristenbusse, Parkplatzranger und viel Müll. Und der starke Wind macht Sonnenbäder am Strand zur Herausforderung.

Col de Larone

Camping Fautea

In Fautea entspannen wir uns langsam. Der Campingplatz ist zwischen zwei kleinen Buchten auf mehreren kleinen, teilweise versteckten Terrassen angelegt. Ein großartiger Platz für kleine Busse und Zelte. Türkis-blaues Wasser, ein alter Wachturm und in der Früh taucht direkt vor uns die Sonne aus dem Meer auf – endlich Urlaubsfeeling!

Erste Bruchlandung

Die Entspannung währt leider nicht lange. Unsere Erkundung der Halbinsel La Chiappa endet am unebenen Parkplatz von Palombaggia. Eine Verbindungslasche zwischen Lenkstange und Lenkgetriebe ist gebrochen. Für alle Nicht-Mechaniker*innen: Lenkung defekt. Wir nehmen es mit Humor – erst langsam sickert der Gedanke, wie viel Glück wir hatten. Wir haben gerade gefühlte 5.000 Kurven in den Bergen hinter uns – wäre es dort passiert, hätten wir Korsika nicht im eigenen Bus verlassen.

Mit Händen und Google-Translator suchen wir rund um Port Vecchio nach einem Schlosser oder jemanden, der ein Schweißgerät hat. Hätten wir doch im Französisch-Unterricht besser aufgepasst. In Porto Vecchio werden wir zum Glück fündig. Oui, oui, der wortkarge Franzose kann uns helfen. Aber es ist fünf vor zwölf, jetzt macht er erstmal zwei Stunden Mittagspause, seine Frau wartet mit dem Essen. So haben wir kurz Gelegenheit in die Hafenwelt der Reichen und Schönen einzutauchen. Hoffentlich hat uns der Mechaniker nicht zu viel versprochen, sonst sitzen wir hier die nächsten Tage fest.

Pünktlich um 14 Uhr ist er wieder da und ein paar Minuten später die Lasche wieder an die Lenkstange angeschweißt. Lächelnd meint er: „That´s it. Have a good journey!“ Voller Freude sind wir wieder auf Kurs. Wir ahnen noch nicht, dass die richtige Bruchlandung erst vor uns liegt.

korsischer Charme im Süden

In Rondinara finden wir eine traumhafte Bucht – mit feinstem Sandstrand, türkisblauem Wasser, roten Felsen und vielen Wanderwegen zu abgelegenen Buchten. Der Sturm lässt nach und wir kommen zum ersten ausgiebigen Sonnenbad. Nächsten Tag geht es vorbei am Golfe de Santa Monza, wo leider Quallenalarm herrscht, weiter nach Bonifacio.

Rondinara

Wer sein Rad liebt, der schiebt. Am südlichsten Punkt von Korsika fährt sich Claudia einen Nagel ein. Aber die Weitsicht entschädigt alles. Von der Ermitage de la Trinité blicken wir noch einmal zurück. Fantastische Fernsicht auf Bonifacio und die einzigartige Felslandschaft.

Ermitage de la Trinité

Bruchlandung die Zweite

Im Süden finden wir keinen Campingplatz mit Meerzugang. Es ist Mitte September, viele Campingplätze sind schon geschlossen. Offensichtlich sind alle froh, dass die Hauptsaison vorbei ist. Können wir den Einwohner*innen nicht verübeln – wir wollen uns gar nicht vorstellen, wie voll die kleine Insel im Sommer ist. Es wird gerade an neuen Verkehrskonzepten gearbeitet. So mancher Einheimischer rät uns, nie in der Hauptsaison auf die Insel zu kommen.

Le Lion de Roccapina

Bei Propriano sind wir so müde, dass wir den nächstbesten Platz nehmen. Alle Bedenken ignorierend steuern wir unseren Bus die steile Einfahrt hinunter, noch scherzend, dass wir hier nie mehr wegkommen, wenn wir ein Gebrechen haben. Zack – über die kleine Schwelle hinein in den Stellplatz bricht die Lenkstange wieder. Diesmal richtig.

Freitag Abend. Der freundliche Rezeptionist macht uns keine falschen Hoffnungen. Bis Montag sitzen wir hier auf jeden Fall fest. Leichte Panik kommt auf. Was ist, wenn es in dem Dorf keinen Mechaniker gibt? Abschleppen ist hier unmöglich – wie sollen wir den Bus aus diesem Graben bekommen? Wo bringen wir den Bus sicher unter, wenn wir ohne ihn nach Hause fahren müssen?

schlimmer geht immer

Für heute können wir nichts mehr tun, also gehen wir früh schlafen. Von einer ruhigen Nacht sind wir jedoch weit entfernt. Nach unserem nächtlichen Toilettengang bemerken wir, dass Oxi´s Fressnapf von tausenden schwarzen Ameisen belagert wird. Ein kurzer Schwenk mit der Stirnlampe offenbart das ganze Ausmaß – der ganze Bus ist von Millionen wuselnden Ameisen überzogen! Vom Boden und von den Bäumen strömen sie auf unser Dach und in die Ritzen. Nach einer kurzen Schrecksekunde legen wir los – wir schütten literweise Wasser über den Bus, schneiden Äste ab und sprühen altes Autan auf die Reifen. Bis zum Morgen muss das reichen. Die Ameisen verfolgen mich aber bis in meine Träume.

Wenn du glaubst, es geht nicht mehr…

Nächsten Tag freuen wir uns über Schüttregen – und unsere Freunde, die zufällig zur selben Zeit auf der Insel sind. Wir waren noch nie so froh, vertraute Gesichter zu sehen. Pauli und Andi versorgen uns nicht nur mit vielen Umarmungen, sondern auch mit einer großen Menge Backpulver – und Campari 🙂

Es stellt sich auch heraus, dass der Gärtner des Campingplatzes eine kleine Werkstatt hat – mit einem nagelneuen Schweißgerät! Lenkung ausbauen, schweißen, wieder einbauen – und nichts wie weg von diesem Ameisenhügel!

Am Campingplatz chez Antoine erholen wir uns von der ganzen Aufregung – von jetzt an läuft alles gemäß idyllischem Inselurlaub 🙂

Camping chez Antoine

Weiterlesen:

Korsika (2): Wie weit ist es bis zum Horizont?

Chris


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